L’Eau-xikon: Moschus




Kommt Moschus vom Moschustier? Oder nein, dem Moschusochsen! Oder etwa doch aus dem Labor? Wofür wird er in der Parfümerie verwendet und wo in der Duftpyramide ist er anzusiedeln? Und was ist die Geschichte dieser wunderbaren Ingredienz?

Wer einmal an Moschus gerochen hat, wird verstehen, wieso er in sehr vielen Parfums verwendet wird. Der Duft erstrahlt in himmelblauer Schönheit – man fühlt sich eingelullt in Decken aus Wolken und spürt die umgebende Wärme und Geborgenheit, die dieser sinnliche Duft auszubreiten vermag. Weich, elegant und in harmonischer Fülle erwärmt er unsere Seelen. Ein durchaus verführerischer Inhaltsstoff, der meistens in orientalischen Parfums Verwendung findet.

Neben Amber, Zibet und Bibergeil gehört auch Moschus zu den teils stark riechenden animalischen Duftstoffen. Der Begriff Moschus (lat. muscus, altpers. musk) stammt ursprünglich vom altindischen Begriff muskah, was so viel wie Hoden bedeutet. Im Pflanzenreich gibt es interessanterweise auch einen Basisnotenduft, der sehr ähnlich riecht wie Moschus. Er wird aus dem Samen des Bisamstrauchs (lat. Hibiscus abelmoschus) gewonnen und ist als Ambrette-Seed-Oil bekannt.

In China, Indien und Persien war Moschus schon vor Jahrhunderten als anregendes Heilmittel bekannt. Erste Nachrichten über Moschus gelangten durch den Venezianer Marco Polo (1254 - 1324) nach Europa. Später setzte dann der Handel aus dem Orient ein. Moschus fand Verwendung sowohl unter Ärzten (als Aphrodisiakum, Nervenmittel und Riechmittel) als auch in der Parfümerie, die damals, im Gegensatz zu Indien und Ägypten, in Europa noch in den Kinderschuhen steckte.

Ursprünglich stammt Moschus vom Moschustier (lat. Moschus moschiferus), welches einer Unterfamilie der Hirsche zugeordnet wird. Am pudelwohlsten fühlen sich Moschustiere in den feuchten Bergwäldern Zentral- und Ostasiens, wo sie während der Brunst von ihren Geschlechtshormonen getrieben ihren tierischen Ausdunstungen freien Lauf lassen. Gewonnen wurde (und leider auch wird) Moschus normalerweise nicht durch abwischen der Drüsen, sondern durch abschneiden des Moschusbeutels vom getöteten Tier, welcher das Sekret in grösseren Mengen enthält (ca. 30 g pro Tier; 1 kg Moschus = 33 tote Tiere), als von den Drüsen auf einmal gewonnen werden kann. So wurde das Moschustier über Dekaden hinweg stark bejagt und dezimiert. Ende der 70er-Jahre wurde es so rar, dass sich natürlicher Moschus zu einem dreimal so hohen Preis wie Gold verkaufen liess!

Der wichtigste Bestandteil des Moschus ist das Molekül Muscon. Über die Zeit gelang es der Riechstoffindustrie, Muscon künstlich herzustellen und auch neue Moleküle zu entwickeln, welche mit den im natürlichen Moschus anzutreffenden Molekülen strukturell verwandt sind und deshalb auch ähnlich riechen. Spricht der Parfümeur heutzutage von Moschus (oder engl. musk/white musk), so versteht er darunter immer die ganze Familie an Moschusmolekülen, die ihm heuer zur Verfügung stehen. Diese synthetischen Duftstoffe werden bei der Kreation von Düften miteinander zu Akkorden vermischt und so als Basisnoten verwendet. Dadurch verfügt der Parfümeur in seiner Duftpalette über unterschiedliche Moschusduftinterpretationen, die sich teils erheblich voneinander unterscheiden – auch zum natürlichen Moschusduft. Manche Moschusakkorde riechen vorzüglich samtig, rund und weich, und andere haben einen animalischen Unterton.

Erstaunlich ist, dass fast die Hälfte der Menschen Moschus nicht riechen können, da es sich um sehr grosse und schwere Moleküle handelt (Dies gilt übrigens auch für die Ambermoleküle). Trotzdem ist es sehr sinnvoll, Moschus in Parfums zu verwenden, da Duftstoffe, auch wenn man sie nicht riechen kann, doch wahrnehmbar sind, wenn man sie in Kombination mit anderen Duftstoffen riecht. Der Moschus wird somit auch als Effektingredienz verwendet, welches den Duft abzurunden vermag und zudem auch zur Fixation des Duftes auf der Haut dient. Moschus hat die Fähigkeit, unglaublich viele Parfümkompositionen zu beleben und die anderen Inhaltsstoffe in ein schöneres Licht zu rücken.